Mittwoch, 25. Mai (Tag 4)

IMG_8681Ob der Teufel diesen Felsbrocken geschleudert hatte, damals vor achthundert Jahren, das ist wohl nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Aber, dass man auf solche Geschichten kommt, kann man verstehen, wenn man da unten herumwandert, in der Schöllenenschlucht. Heute ist, nebst meinen virtuellen Mitwanderern, kaum einer hier. Das lässt die Wucht der Natur noch gewaltiger erscheinen.

Oben im Talboden begegne ich einem sportlichen Rentner, der seinen Vorgarten mit der Sense mäht. Früher habe er bei der Festung gearbeitet. Bei der Festung? Welcher Festung? Da bei den Bunkern im Berg. Von anfang der Fünfziger- bis in die Siebzigerjahre. Ein guter Arbeitgeber, die Armee. Viele Familien hätten ihr Einkommen da gefunden. Heute sei es der grosse Investor, der dem Dorf eine Zukunft gäbe. Ob es denn keinen Widerstand gegeben habe gegen die gigantischen Sawiri-Projekte. Wie ein Messias sei er aufgetaucht. Selbstsicher, aber charismatisch und zugänglich. Ja, ein paar Gegenstimmen hätte es schon gegeben, ein paar wenige. Aber schliesslich biete er dem Tal ja auch etwas. Bis anhin habe er alle seine Versprechen eingehalten. Besser für ihn, denn man könne sich wehren hier oben. Grad eben habe man das Jubiläum gefeiert: 70 Jahre Aufstand Urserntal. Ein grosses Staudammprojekt sei geplant gewesen. 1946 sei es dann eingestellt worden. Dass ihr Tal unter Wasser gesetzt und 2000 Einwohner umgesiedelt werden sollten, wollten die Urschner nicht so einfach hinnehmen. Es wurde viel diskutiert damals, man habe sie einkaufen wollen, aber übers Ohr hauen lasse man sich nicht. Und so kam es halt zu jener „nächtlichen Aktion“, die das Ende des Staudammprojektes eingeläutet habe. Ja er sei schon massgeblich dran beteiligt gewesen. 16 Jahre alt sei er damals gewesen, vielleicht etwas zu ungestüm. Aber er bereue nichts.
Der Himmel zieht sich zu. Ich lasse den gefeierten Aufständischen weiter arbeiten. Später lasse ich mir von ein paar jungen Männern in Uniform die Hierarchien und Regeln des Militärdienstes erklären. Sie feiern Halbzeit ihrer Rekrutenausbildung und werden wohl bis elf Uhr, wenn sie zurück in der Kaserne sein müssen, noch ziemlich lustig werden.
Auf meinen letzten Runden durchs Dorf bin ich ziemlich alleine. Kein Mensch auf der Strasse. Die Fahnen für den morgigen Feiertag sind gehisst. Ich besuche den Friedhof. Gepflegte Gräber. Blumen und Kerzen. Ich bleibe an einem Dutzend identischer Gräber stehen. Alle mit dem gleichen Todesjahr. 1951. Ein Lawinenunglück. Die Wucht der Natur. BF

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Ich verliere die Zeiten und Tage, ich kann mich nicht erinnern, jetzt allmählich jeder Tag doppelt. Wir also hoch mit der Seilbahn bis hoch zum Schnee. Ein See, Almwiesen, Gasthöfe und noch gar keine Touristen Füsse in Eiswasser. Achtung schnell weiter, raustreten aus dem was nicht meine EdelweissHeimat ist. Mit Postbus und Zug über Göschen nach oben nach weiter nach Andermatt. Jetzt wird es richtig karg, Noch nicht über der Baumgrenze, aber die Hänge schon meist leergekarstet, Felsen, Geröll. Zu Fuss an der Durchgangssgtrasse an Autoterror zurücklaufen zur Teufelsbrücke. Angstzerfetzender Canyon. Alte Zeit und neue Zeit. Mosaiken an den Wänden, und Mythos und Historie in der Luft. Ernsthaft. Kann mich dem Ort kaum entziehen, der Bedeutung, die die Brücke über die Schlucht gehabt haben muss, um hier den Weg nach Süden gangbar zu machen. Transitleistung. Oben eine grau-schöne Stadt, mit wunderbaren alten Holzvillen und den Glanz eines alten Tourismus`.. Dazwischen äusserst geschmackvoll, oder wie sagt man das, die Ressorts des neuen Plans, der Vision des neuen Messias, des ägyptischen Investors. Gerade wird gebaut, es sind also Wohnungen gekauft worden. Hinten schon der Golfplatz und überall die Schilder, kaufen Sie! Abends etwas ratlos durch die kalte Stadt. Überall Militärs, die haben heute Ausgang. Wo verstecken sich nur die armen Andermatter Mädels…aber die Rekruten wirken eh sehr diszipliniert. Müde werden. Morgen gehts weiter. GD

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